Interviews

Wirtschaft im Alpenraum, 2002

 

BERTRAM HAID, der österreichische Cartoonist, im Interview (by Martha Bell)

Der Cartoonist, Bertram Haid, wurde am 9.8.1964 in Innsbruck geboren.
Nach Abschluss der Bürokaufmannlehre arbeitete er als Sachbearbeiter in der Sozialversicherung. Nebenberuflich versuchte er sich zunächst als Journalist, indem er für Jugendzeitungen prominente Künstler interviewte. Später wechselte er die Fronten und war ein paar Jahre Texter und Frontman der Deutschrap-Band „Die Besten aus dem Westen.“
Kommerziell erfolgreich wurde allerdings erst seine Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller Elias Schneitter. Gemeinsam gründeten sie 1998 das Cartoonprojekt BAES., welches seither cirka 500 Cartoons in diversen Printmedien veröffentlichen konnte. 2007 hängte er seinen Versicherungsjob an den Nagel und begann, für Ö3 Comedybeiträge zu schreiben. Neuerdings ist er auch für die österreichische Late-Night-Show „Willkommen Österreich“ als Gagschreiber tätig. Der Künstler lebt heute in Innsbruck, ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Zum Comic zeichnen bist du über Umwege gekommen. Hattest du vorher einfach kein Interesse am Zeichnen oder schlummerte dein Talent noch im Verborgenen?

Als Kind habe ich extrem gerne gezeichnet. Danach kaum noch, weil andere künstlerische Interessen wie die Liebe zur Musik und vor allem zum Schreiben meine ganze Kreativität vereinnahmt hatten.

Wie reagierte dein Umfeld auf dein nicht sehr konventionelles Leben. Bestätigte dich die Reaktion deiner Eltern und deiner Freunde oder musstest du viel Überzeugungsarbeit leisten?

Ich muss da was richtig stellen: Ich fing als Fünfzehnjähriger eine Lehre als Bürokaufmann in der Tiroler Gebietskrankenkasse an und blieb dort beachtliche 28 Jahre. Ich ging davon aus, eines Tages als Sachbearbeiter in Pension zu gehen Meine künstlerischen Tätigkeiten erledigte ich sozusagen nebenberuflich. Im Laufe der Jahre wurde mir aber immer klarer, dass mir das zu wenig war. Ich wurde immer frustrierter und schließlich richtiggehend krank, was mich im letzten April von heute auf morgen dazu veranlasste, nicht mehr ins Büro zu gehen. Meine Frau und die Kinder (16 und 19 Jahre alt) waren anfangs zwar sprachlos, aber niemand konnte mich mehr von meinem Entschluss abbringen. In diesen Tagen meldete ich mich bei den Leuten vom Ö3-Wecker, die kurz darauf meine Gags brachten und mich als Gagschreiber auch den Herren Grissemann/Stermann und deren Sendung „Willkommen Österreich“ empfahlen. Seitdem lebe ich ein neues, unsicheres aber ungleich spannenderes Leben als jemals zuvor.

Im Moment liegt deine Hauptbetätigung beim Texten und Gagschreiben, unter anderem für Ö3. Wo bekommst du deine Ideen her? Liefert die dir deine Umwelt oder entstammt vieles aus deinen eigenen Erlebnissen?

Bei Ö3 und bei Grissemann/Stermann ergeben sich die Themen aus der Aktualität. Dann ist nur noch wichtig, die Klischees der Themen möglichst witzig zu formulieren. Aus Erfahrung weiß ich, dass es mir nichts bringt, extrem konzentriert über den Themen zu brüten. Das verursacht mir nur Kopfweh. Besser ist es, so locker und aus dem Bauch heraus wie möglich an die Sache heranzugehen.

1990 stiegst du aktiv ins Musikgeschäft ein. Im Moment liegen deine künstlerischen Ambitionen aber woanders. Vermisst du das Musikgeschäft oder ist dies ein Kapitel deines Lebens das abgeschlossen ist?

Gute Frage! Ich mag Musik nach wie vor extrem gern. Sie kann mich praktisch in jeden Zustand versetzen, in den ich versetzt werden möchte. Leider hatte ich von der Musik genau zu dem Zeitpunkt das allerwenigste, als ich mich aktiv damit beschäftigt hatte. Ich analysierte damals jedes Lied, das ich irgendwo hörte; es war mir nicht mehr möglich, die Musik passiv zu genießen. Man kann sagen, dass die Musik für mich ihren Zauber verloren hatte, weil ich ihr in die Karten geschaut hatte. Dazu kommt, dass es so extrem aufwändig ist, im Musikgeschäft Fu§ zu fassen. Es dauert ewig, bis mal eine CD heraussen ist und dann geht die Arbeit aber erst richtig los. Kurz gesagt: Für mich ist dieses Kapitel definitiv abgeschlossen.

Du hast unter anderem ein Buch mit dem Titel „Tirolkamasutra“ geschrieben. Verrate uns wie es dazu kam.

Helmuth Schönauer ist ein wegen seiner provokanten Bücher umstrittener Tiroler Schriftsteller. Eines Tages schrieb er mir ein Mail. Er bat mich, für sein Buch „Tirol Kamasutra – Die 100 Stellungen der Tiroler“ Zeichnungen anzufertigen. Ich kenne ihn schon seit Jahren, also habe ich gerne zugesagt. Seit diesem Buch weiss die Menschheit, was wir Tiroler tatsächlich so alles in unseren Betten treiben und welche Sexstellungen es nur in unserem Land gibt – Offenbarungen, die meiner Meinung nach viel zu lange unentdeckt geblieben waren. Die Buchpräsentation erfolgte übrigens standesgemäß in einer Innsbrucker Beate Uhse – Filiale!

Eigentlich bist du ein Multitalent. Gibt es noch Projekt die du verwirklichen möchtest? Was schwebt dir noch vor?

Danke für die Bezeichnung „Multitalent“! Sie ist allerdings viel zu weit hergeholt. Ich habe zwar schon so manche Sachen ausprobiert, aber alles mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Heute kann ich sagen, dass ich im Grunde sowas bin wie ein „Witzeerfinder“. Damit begnüge ich mich. Auf diesem Gebiet hätte ich zwar noch einiges vor – Gags für NOCH größere Stars schreiben, Cartoons für NOCH größere Zeitungen zeichnen – aber ich habe mittlerweile gelernt, dass Planen Zeitverschwendung ist. Alles was ich mir fest vorgenommen hatte, ist nicht passiert, dafür ist genau das gekommen, was ich niemals ernsthaft angestrebt hatte. Ich nehme mir deshalb vor, alles was kommt, mit grö§tmöglicher Gelassenheit anzunehmen.

Wie schätzt du die heutige Generation der jungen Künstler ein. Haben sie eine Chance sich selbst zu verwirklichen und sich in der heutigen Zeit Gehör zu verschaffen?

Ich finde, junge Künstler haben es heutzutage leichter, sich zu verwirklichen. Früher war man darauf angewiesen entdeckt zu werden und sich ein Image verpassen zu lassen. Heute kann sich jeder im Internet so darstellen wie er will und seine Sachen selber unters Volk bringen. Das mit dem Gehör verschaffen ist allerdings ein Problem, denn wer ist heutzutage schon ein Star, wenn eh schon fast jeder zweite einer ist? Ich denke, Andy Warhol hatte leider recht als er sagte, dass jeder Mensch in der Zukunft mal für 15 Minuten ein Star sein wird.

Kannst du beurteilen was dich zu dem gemacht hat wer du heute bist. Wer war dein Mentor und Begleiter?

Mein Kumpel Elias Schneitter, in Tirol ein recht bekannter Schriftsteller, war mein Mentor. Im Juni 1998 wollte er eine Schnapsflasche verschenken, aber mit einem persönlichen Etikett. Da er nicht zeichnen kann, fragte er mich. Ich kritzelte ihm ein besseres Strichmännchen und er war begeistert. Spontan planten wir daher, dass ich in den nächsten Wochen irgendetwas zeichnen und er dann einen Text darunter schreiben sollte. Wenn wir eine Handvoll solcher Werke beisammen hatten, so unser Plan, wollten wir sie binden lassen und sie unseren Lieben zu Weihnachten schenken. Nach cirka zwanzig Blättern fassten wir den Mut, sie dem damaligen Chefredakteur der Innsbrucker Zeitung TIP zu zeigen. Die Auflage war um die 70.000 Exemplare. Der Chefredakteur sah sich alles kurz an und sagte, okay, ihr seid dabei, pro Zeichnung kriegt ihr auch ein Honorar. Er hat Wort gehalten. Drei Jahre lang erschienen unsere Cartoons nonstop im TIP, seither publizierten wir über 500 Zeichnungen in allen möglichen Medien..

Das mbr:points Erfolgsteam martha bell, Bernd Gratzl und Roland Kobald bedankt sich für das Interview!

10/3/2008